Dienstag, 19. September 2006

Unabhängigkeitsreferendum: Transnistrien will sich Russland anschließen

Chişinău / Tiraspol (Moldawien), 19.09.2006 – Die Einwohner der moldawischen Region Transnistrien haben sich in einem Unabhängigkeitsreferendum entschieden, sich an Russland anzuschließen. Wie die Wahlkommission gestern mitteilte, sprachen sich mehr als 97 Prozent der Wähler in der Region für eine Unabhängigkeit von Moldawien aus.

Der selbsternannte Außenminister Transnistriens, Waleri Lizkai, sagte, dass es außer Frage stehe, dass sich die Region Russland anschließen werde. Der selbsternannte Präsident der Region, Igor Nikolajewitsch Smirnow, ist davon überzeugt, dass der Ausgang der Abstimmung seine Position bei Verhandlungen mit der moldawischen Regierung stärken wird. Die moldawische Regierung erklärte hingegen, dass sie das Referendum nicht anerkennen werde. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die Europäische Union erklärten die Abstimmung für unrechtmäßig.

Die Region, in der hauptsächlich Ukrainer und Russen leben, hatte sich schon zu Beginn der 1990er-Jahre nach blutigen Kämpfen von Moldawien losgesagt, war international aber nicht als Republik anerkannt worden. +wikinews+

Freitag, 8. September 2006

In Georgien wurden Oppositionspolitiker wegen eines angeblichen Umsturzversuchs festgenommen

Tiflis (Georgien), 08.09.2006 – Nach Angaben des georgischen Innenministers Wano Merabischwili wurden bei einem landesweiten Polizeieinsatz, an dem 450 Polizisten beteiligt waren, vorgestern morgen 29 Oppositionspolitiker festgenommen. Der Innenminister wirft ihnen Konspiration gegen den Staat und einen versuchten Umsturz der Regierung gemäß Paragraf 315 des georgischen Strafgesetzbuches vor. Gegen 14 der Personen wurde bereits Anklage wegen Landesverrates erhoben. Staatsanwalt Giorgi Gviniashvili gab bekannt, dass auch gegen weitere Personen Anklage erhoben wird.

Bei den Festgenommenen handelt es sich unter anderem um Temur Zhorzholiani, den Vorsitzenden der monarchistischen Partei, zwei regionale Vertreter der Partei „Samartlianoba“ („Gerechtigkeit“) und Maia Nikoleischwili, einen Anführer der „Anti-Soros-Bewegung“. Die „Anti-Soros-Bewegung“ vertritt die Auffassung, dass der US-Milliardär George Soros Präsident Micheil Saakaschwili mit an die Macht gebracht habe.
Der pro-westliche Micheil Saakaschwili wurde nach dem Sturz Eduard Schewardnadse im Zuge der so genannten samtenen Revolution im Jahr 2003 zum Präsidenten gewählt. Im staatlichen Fernsehsender und auf privaten Kanälen des Landes wurden Bilder gezeigt, wie maskierte Sicherheitsbeamte, die mit Kalashnikovs bewaffnet waren, die Festgenommenen in Autos brachten. Im staatlichen Fersehen wurden zudem Dollarbündel, die angeblich bei der Polizeiaktion konfisziert wurden, präsentiert. Der stellvertretende Parlamentsprecher Mikhail Machavariani beschuldigte die Oppositionspolitiker, das Geld aus Russland eingeschmuggelt zu haben. Im Zusammenhang mit den Festnahmen richten sich die Vorwürfe der georgischen Regierung von Präsident Micheil Saakaschwili gegen Russland. So hatte Micheil Saakaschwili in der letzten Woche behauptet, Russland arbeite in konspirativer Weise darauf hin, ihn durch Igor Georgadse zu ersetzen. Micheil Saakaschwili kommentierte die Festnahmen während eines offiziellen Auslandsaufenthalts in Polen. „Sie werden die Strafe bekommen, die sie verdienen. Und diejenigen, die sie finanzieren können sich dessen sicher sein“, so der georgische Präsident. Damit nahm er Bezug auf in Medien geäußerten Spekulationen, wonach der russische Geheimdienst die pro-russische Opposition Georgiens finanziell unterstützen.

Igor Georgadse, ein ehemaliger KGB-Offizier der Sowjetunion und georgischer Minister für Staatssicherheit, wird mit einem internationalen Haftbefehl gesucht, weil ihm die Beteiligung an einer Verschwörung gegen Eduard Schewardnadse vorgeworfen wird. Igor Georgadse soll 1995 Drahtzieher eines gescheiterten Attentats mit einer Autobombe auf den damaligen Präsidenten Eduard Schewardnadse gewesen sein. Russland hat Igor Georgadse, dessen Vater Vorsitzender der „Vereinten Kommunistischen Partei Georgiens“ ist, politisches Asyl gewährt. 2000 und 2004 wollte Igor Georgadse an der Präsidentschaftswahl teilnehmen, was ihm aber nicht gestattet wurde, da er seinen Hauptwohnsitz nicht in Georgien hatte. Am Mittwoch strahlte der staatliche russische Fernsehsender „Kanal eins“ ein Interview mit Igor Georgadse aus, in dem der Oppositionspolitiker sagte, dass die Festnahmen Teil einer Repressionskampagne im Vorfeld der im Oktober stattfindenden Kommunalwahlen seien. Nach einer Reise durch das Land hatten Vertreter der OSZE im März dieses Jahres sich besorgt über den Zustand der Freiheit der Medien und des Rechtssystems in Georgien geäußert. Auch andere der festgenommenen Politiker beteuerten ihre Unschuld und bezeichneten die Polizeiaktion als politisch motiviert.

Als Reaktion auf die Festnahme von 14 Mitgliedern rief die Partei „Gerechtigkeit“ laut der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti zu einer landesweiten Kampagne des zivilen Ungehorsams auf, mit der Präsident Micheil Saakaschwili gestürzt werden solle. Dies sagte Irina Sarishvili, die Leiterin der „Igor-Giorgadze-Stiftung“, auf einer Pressekonferenz in der georgischen Hauptstadt. Irina Sarishvili bestritt auf der Pressekonferenz, dass es Umsturzpläne gegeben und ein konspiratives Treffen am 4. Mai gegeben habe. Irina Sarishvili wurde nicht festgenommen, jedoch wurde das Büro der „Igor-Giorgadze-Stiftung“ von der Polizei durchsucht.

In einer gemeinsamen Stellungnahme, die im Mai dieses Jahres veröffentlicht wurde, hatten die Anführer von fünf Oppositionsparteien die politischen Aktivitäten von Igor Giorgadze verurteilt, gleichzeitig aber den Umgang der Regierung mit dem im Exil lebenden Politiker kritisiert. +wikinews+

Rassenkonflikt von Kondopoga weitet sich auf Republik Karelia aus

Kondopoga / Petrosawodsk (Russland), 08.09.2006 – Wie Wikinews bereits berichtete, kam es in der vergangenen Woche zu Pogromen in der karelischen Industriestadt Kondopoga. Nun versucht die rechtsextreme „Bewegung gegen illegale Immigration“, auch in der Hauptstadt der Republik Proteste und Aktionen ähnlich wie in Kondopoga durch Propaganda anzufachen.

Im Rahmen der Ermittlungen zu den Ermordungen und Pogromen in Kondopoga wurden 25 Personen mittlerweile inhaftiert. Außerdem wurden 14 Strafverfahren eingeleitet. Bei 20 weiteren Verdächtigen wird derzeit geprüft, ob sie in Ordnungshaft genommen werden sollen. Ursprünglich waren laut Angaben der Staatsanwaltschaft 109 verdächtige Personen inhaftiert.

Die Pogrome haben auch zur Flucht mehrerer Kaukasier geführt. Laut der karelischen gesellschaftlichen Organisation „Islamische Aufklärung“ sind derzeit 50 Flüchtlinge in der Nähe der karelischen Hauptstadt untergebracht, wo sie von Privatunternehmern versorgt werden. Diese Flüchtlinge seien Angehörige der festgenommenen Verdächtigen, die des Mordes an mehreren Einwohner in Kondopoga beschuldigt werden. Diese Morde waren Auslöser der Unruhen. Die Angehörigen seien von der Unschuld der Verdächtigten überzeugt, wollten aber erst wieder nach Kondopoga zurückkehren, wenn es wieder sicherer für sie werde.

Mittlerweile versucht die rechtsextreme „Bewegung gegen illegale Immigration“ ähnliche Aktionen, wie sie in Kondopoga geschahen, in Petrosawodsk zu provozieren. Laut Aussage von Regierungschef Sergej Leonidowitsch Katanandow versuchen unbekannte Kräfte, „über Internet und SMS“ Jugendliche zu Protesten aufzufordern. Er habe daher veranlasst, Massenveranstaltungen in den Lehreinrichtungen zu reduzieren, um die Lage nicht ausarten zu lassen. „Die Welt“ zeigt jedoch auch ein anderes Gesicht des Regierungschefs. So druckte die Zeitung folgende Aussage von Katanandow ab: „Vertreter ‚eines anderen Volkes‘ – gemeint sind die Tschetschenen – hätten sich ‚unverschämt und herausfordern verhalten und dabei die Mentalität unseres Volkes ignoriert‘[…]. Es sei sein Ziel, diejenigen zu verjagen, ‚die uns nicht achten‘.“ Die rechte Propagandawelle rollt derweil auch mit anonymen Flugblättern mit der Aufforderung zu Protesten gegen die „kaukasische Gesetzlosigkeit in Kondopoga“ durch die Hauptstadt weiter.

Der Vorsitzende des Föderationsrates aus dem Oberhaus des russischen Parlaments, Sergej Michailowitsch Mironow, gab gegenüber Medien zu, dass es Situationen wie in Kondopoga bereits in anderen Städten Russlands gegeben hätte. „Sie werden einfach nicht an die Öffentlichkeit getragen.“ Wie soetwas sein kann, zeigt der karelische Staatsanwalt, der auch weiterhin von allgemeinen Straftaten und nicht von ethnischen Konflikten ausgeht.

Unter dessen ist am Mittwoch eine Delegation aus Tschetschenien in der Republik Karelien eingetroffen. Sie will sich mit der hiesigen Regierung unterhalten und die Geschehnisse in Kondopoga untersuchen. +wikinews+

Montag, 4. September 2006

Rassistische Unruhen in Russland

Kondopoga / Moskau (Russland), 04.09.2006 – Während die Welt besorgt auf die aktuelle Lage im Nahen Osten blickt, spitzt sich die Lage durch immer schwerere rassistische Ausschreitungen in Russland zu. Jüngster Schauplatz war die Industriestadt Kondopoga in der Republik Karelien (Nordrussland).

In der Nacht zum Mittwoch letzter Woche kam es zu einer Massenschlägerei im Café „Tschajka“. Bei dieser Schlägerei wurden zwei bis vier Menschen (aktuell.ru), drei Personen (FAZ) bzw. zwei Einheimische (RIA Novosti) getötet, zwei von ihnen waren laut Angaben der Polizei Slawen. Nach der tödlichen Nacht kam es in der Stadt zu Demonstrationen und Randalen. Es wurden Behauptungen gestreut, dass Kaukasier die beiden Tötungen begangen hätten, wodurch vor allem Geschäfte und Cafés von ihnen Ziele der Vandalen gewesen seien, allen voran das Café „Tschajka“, welches von einem Tschetschenen geführt wurde. Nationalistische Organisationen riefen für vergangenen Samstag zu einer „Volksversammlung“ in Kondopoga auf, welche auch durch Kräfte in anderen Teilen Russlands unterstützt wurde. Besonders die fremdenfeindliche Organisation DNPI (Bewegung gegen illegale Immigration) wurde von der Presse in diesem Zusammenhang mehrfach genannt. Am Samstag versammelten sich daraufhin zirka 2.000 Menschen auf dem Marktplatz, wo sie weiter aufgestachelt wurden. Am Ende wurden Forderungen laut, alle Kaukasier (FAZ) / Tschetschenen (RIA Novosti) binnen 24 Stunden aus der Stadt zu deportieren und alle Verbrechen in der Stadt seit 1991 auf Beteiligung durch Kaukasier zu untersuchen. Außerdem sollte der von den Kaukasiern geleitete Basar geschlossen und an „Slawen“ übergeben werden.

Ein Mob von zirka 100 (aktuell.ru) teilweise betrunkenen Jugendlichen, der sich durch die Versammlung und die Stimmung gebildet hatte, unternahm weitere schwere Randalen und Brandstiftungen an Geschäften der Kaukasier. Selbst die Miliz konnte den Mob nicht aufhalten. Dadurch sah sich die Regierung Kareliens gezwungen, Spezialeinheiten des Innenministeriums und Milizen aus anderen Teilen der Republik in der Stadt zusammenzuziehen, um Herr der Lage zu werden. Die städtische Polizei hatte nicht eingegriffen, um, so Interfax, „keine schlimmeren Ausschreitungen zu provozieren“. Auch die städtischen Behörden von Kondopoga verharmlosten anfangs den Konflikt und meinten, es gehe nur um Fragen „des alltäglichen Lebens“.

Die Polizei hat im Zusammenhang mit den Tötungsdelikten von der Nacht zum 30. August und den Randalen 129 (aktuell.ru), 109 (FAZ) bzw. mehr als 125 (tagesspiegel) Personen festgenommen. 25 Personen sollen bereits zu Strafen von 15 Tagen Arrest verurteilt worden sein. Als Verdächtige für die ausschlaggebende Tötung wurden sechs Aserbaidschaner (FAZ) bzw. drei Männer (aktuell.ru) festgenommen. Der wahre Grund für die Schlägere im Café „Tschajka“, welche mit Eisenrohren, Baseballschläger und Messer durchgeführt wurde und wobei die drei Personen getötet wurden, ist bislang nicht bekannt. Jedoch lieferte die tschetschenische Diaspora am Sonntag mehrere Tschetschenen an die Rechtschutzorganisation aus, die der Beteiligung an der Tötung verdächtigt werden.

Der Grund des Konfliktes in Kondopoga ist die wirtschaftliche und ethnische Lage wie auch geschürter Fremdenhass. Tschetschenien ist durch die Tschetschenienkrieg Russlands stark geschwächt, und die Arbeitslosenquoten liegt über 50 Prozent. Daher versuchen viele Tschetschenen ihr Glück in den Boomregionen Russlands wie auch in Nord-West-Russland. Die Gastarbeiter schaffen es dabei oft durch aktivere und flexiblere Arbeitsweisen zu einem kleinen Wohlstand. Beispielsweise werden die Basare oftmals von Tschetschenen geleitet, wobei die einheimischen Russen nur noch in den Basaren verkaufen. Durch den höheren Wohlstand und damit einhergehenden Sozialneid der Einheimischen sowie die unterschiedliche Religion – Einheimische sind zumeist orthodoxe Christen, während Tschetschenen größtenteils dem Islam angehören –, sind Nahrung für den durch rechtsradikale gestreuten Fremdenhass.

Einige Zeitungen wie auch der Duma-Abgeordnete Wladimir Ryschkow bezeichneten die Unruhen als Pogrom. Der karelische Staatschef vertrat die Ansicht, die Ursachen seien nur wirtschaftlicher Natur gewesen.

Bereits in anderen Teilen Russlands ist es in der Vergangenheit zu rassistischen Unruhen gekommen, wobei sich diese immer wieder verstärken. Erst neulich ist in Moskau auf einem Basar in Ismailowo ein Bombenattentat von Jugendlichen durchgeführt worden. Die Bombe verletzte zirka 40 bis 55 Menschen und tötete zehn Personen. Zunächst wurde bei dem Anschlag von einem Bandenkrieg ausgegangen, jedoch seien die drei festgenommenen Studenten durch rechtsextreme Handlungen bereits früher aufgefallen. +wikinews+