Dienstag, 22. April 2008

Putins Schadenfreude an unwirksamer Iran-Politik

Sanktionspolitik gegen Iran dank Russland in der Sackgasse?

MOSKAU, 22. April (Pjotr Gontscharow, RIA Novosti). Das Treffen der Sechser-Gruppe zu Iran in Schanghai ist, nach den durchgesickerten Informationen zu urteilen, mit einem Fiasko zu Ende gegangen.

Was hindert die fünf UN-Vetoländer plus Deutschland daran, zu einer Einigung zu gelangen? Wahrscheinlich hat Senator John McCain, der US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner, mit seinen neuesten Äußerungen zum Atomstreit mit Iran die verschlossenen Türen beim Treffen in Shanghai einen Spalt geöffnet.

Im Fernsehsender ABC erklärte McCain letzten Sonntag, der einzig effektive Mechanismus bei der Lösung des Atomstreits mit Iran wären „bedeutende und harte“ Sanktionen. Nach Ansicht des Senators waren es aber die Russen, die „alles blockiert haben, was die USA und die EU im UN-Sicherheitsrat durchzusetzen versuchen“.

Ähnliche Standpunkte waren eine Woche zuvor bei einem Treffen russischer und amerikanischer Experten am Rande des Luxemburger Forums in Moskau geäußert worden. Dabei hieß es nämlich: Entweder muss Iran als ein „Atomwaffen besitzender Staat“ anerkannt werden - oder es müssen harte Sanktionen beschlossen werden, bis hin zu einer Isolation dieses Landes.

Die Argumente der Befürworter scharfer Sanktionen waren dabei praktisch dieselben wie bei McCain: Die iranische Wirtschaft sei „trotz der Öl-Dollars“ recht schwach, weil sie zu 40 Prozent von den Ölraffinerien abhängt, die sich im Ausland befinden. Insofern sei sie mit Sanktionen angreifbar.

Neben den Sanktionen wurden in Moskau allerdings auch Investitionen und sonstige „Zuckerbrote“ für Iran zur Sprache gebracht. Eben die Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Zuckerbrot-Peitsche-Verhältnisses waren wohl die Hauptursache des Scheiterns des Treffens in Schanghai. Höchstwahrscheinlich war dabei die Haltung Moskaus der Stein des Anstoßes, worauf McCain auch hindeutete.

Der Senator dürfte Recht haben. Im Vorfeld des Treffens hatte Russlands Außenamt verkündet, die Sechser-Gruppe werde sich auf zusätzliche „positive“ Angebote für Teheran konzentrieren.

Die jüngste Resolution Nr. 1803 sieht bekanntlich Reiseverbote für iranische Atomexperten, Sperrung von Konten einiger iranischer Unternehmen bzw. Banken und Inspektionen von Frachtlieferungen vor. Teheran wurden dabei 90 Tage Bedenkzeit (ab 22. Februar) gegeben. Wie hoch stehen aber die Chancen dafür, dass Iran seine Haltung korrigieren würde?

Wie der Politologe Anton Chlopkow, Exekutivdirektor des russischen Zentrums für politische Studien (PIR-Zentr), beim Moskauer Treffen feststellte, gibt es in den politischen Eliten in Iran praktisch keine Meinungsdifferenzen darüber, ob die Atomenergiewirtschaft weiter entwickelt werden soll oder nicht. Unterschiedliche Standpunkte gebe es höchstens in der Frage, wie die Beziehungen mit anderen Ländern gestaltet werden sollen und ob es sich lohnt, zur harten Rhetorik und Gestik zu greifen, wie das Präsident Mahmud Ahmadinedschad und sein Gefolge gerne pflegen.

Allem Anschein nach ist sich Teheran bewusst, dass die Situation um sein Atomdossier für die UN-Vetomächte in einer Sackgasse gelandet ist: Einerseits bestätigt die internationale Atombehörde IAEO, Iran habe einige Fragen bezüglich seiner früheren Atomaktivitäten geklärt, was der Sicherheitsrat eigentlich hätte positiv bewerten sollen. Andererseits wurden aber die Sanktionen gegen Iran verschärft.

Kein Geheimnis dürfte für Teheran auch darin bestehen, dass in den westlichen Hauptstädten aus diesem Grund Alternativen für die Überwindung der Krise erörtert werden. Deshalb ist Iran bemüht, seine Positionen zu festigen, indem es die Aufstellung tausender neuer Zentrifugen bekannt gibt (am 8. April gab Ahmadinedschad die Bereitstellung von 6000 Zentrifugen des Typs IR-2 bekannt).

Natürlich waren McCains Äußerungen im Fernsehen ein Teil seines Wahlprogramms. Immerhin nehmen Iran und sein Atomprogramm einen bedeutenden Platz in den Wahlreden aller Präsidentschaftskandidaten ein. Wichtig ist etwas anderes: Inwieweit diese Äußerungen den Standpunkt des heutigen Weißen Hauses widerspiegeln?

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

Donnerstag, 17. April 2008

Putin experimentiert mit georgischen Seperatisten

Georgien über Pläne Russlands besorgt, Konsularfunktionen in Abchasien und Südossetien zu erfüllen

STRASSBURG, 17. April (RIA Novosti). Die Kaukasusrepublik Georgien ist über Pläne Russlands besorgt, Konsularfunktionen in den von Tiflis abtrünnigen nicht anerkannten Republiken Abchasien und Südossetien zu erfüllen.

Dieses Problem wolle Tiflis in der Juni-Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg aufwerfen, sagte die Vorsitzende des Ausschusses für Eurointegration des georgischen Paralments, Nino Nakaschidse, am Donnerstag vor der Presse in Straßburg.

Am Vortag hatte der scheidende russische Präsident Wladimir Putin die Regierung in Moskau beauftragt, Maßnahmen zur Erweisung konkreter Hilfe an die Bevölkerung der nicht anerkannten Republiken zu konzipieren und mit den gegenwärtigen Machtorganen in Abchasien und Südossetien aufs engste zu kooperieren. Vertretungen des russischen Außenministeriums in der Region Krasnodar und in Nordossetien werden im Notfall auch Konsulardienste für Bürger erweisen, die ihren ständigen Wohnsitz in Abchasien bzw. Südossetien haben.

"Das, was Russland unternimmt, verstößt gegen das Völkerrecht. Das ist ein Versuch, die Territorien Abchasiens und Südossetiens de facto zu annektieren." Die georgische Parlamentarierin sagte ferner, dass die Position Moskaus die russisch-georgischen Beziehungen weiter belasten wird. "Deshalb appellieren wir an die russischen Behörden, über die Folgen dieses Beschlusses nachzudenken und ihn zu revidieren. Die jüngsten Schritte sind weder für Russland noch für Georgien annehmbar", sagte Nakaschidse.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion hatte sich Abchasien für unabhängig von Georgien erklärt. Im August 1992 verlegte Tiflis seine Truppen nach Abchasien, die aber auf einen erbitterten bewaffneten Widerstand stießen. Der blutige Konflikt endete am 30. August 1993 mit dem faktischen Verlust Abchasiens durch Georgien. Seitdem arbeitet Suchumi beharrlich auf die Anerkennung seiner Unabhängigkeit hin, die bislang von keinem einzigen Staat akzeptiert wurde. Tiflis betrachtet Suchumi weiterhin als Teil des Landes und bietet Abchasien umfassende Autonomierechte im Staatsverband Georgiens an. Der Frieden in der georgisch-abchasischen Konfliktzone wird von der GUS-Friedensmacht erhalten, zu der hauptsächlich russische Militärs gehören. Die Verhandlungen über die Beilegung des Konflikts wurden 2006 abgebrochen.

Vor dem Zerfall der Sowjetunion hatte Südossetien den Status eines autonomen Gebietes im Staatsverband Georgiens. 1991 schaffte der erste georgische Präsident Swiad Gamsachurdia die Autonomie ab. Die südossetischen Behörden leisteten erbitterten bewaffneten Widerstand. Der Konlikt ging 1992 zu Ende, ebenfalls mit dem Verlust der Region für Tiflis.

Südossetien will seine Anerkennung durch andere Länder durchsetzen, während Georgien es weiterhin als sein Gebiet betrachtet. Der Frieden in der georgisch-ossetischen Konfliktzone wird von einem gemischten Friedenskontingent erhalten, zu dem ein russisches, ein georgisches und ein nordossetisches Bataillon gehören, jeweils 500 Mann. Das Hauptorgan für die Beilegung des Konflikts ist die so genannte Gemischte Kontrollkommission mit den Kovorsitzenden von Russland, Georgien, Nord- und Südossetien. In letzter Zeit bekundet Tiflis den Wunsch, aus diesem Format auszusteigen. Die anderen Teilnehmer der Verhandlungen sind dagegen.


KOMMENTAR

In offensichtlicher Revanche für den Kosovo-Separatismus und die NATO-Beschlüsse zur Osterweiterung mit Georgien und Ukraine verletzt nun Putin die Souveränität Georgiens.

NATO, Russland, Georgien und die Ukraine sollten zur Besinnung kommen und das Gezerre unterlassen. Wenn und wer Georgien nicht zerreißen will, muss darauf verzichten, diese innenpolitisch und regional zerklüftete Gesellschaft in eine Allianz gegen Russland zu holen, denn schon die Umrüstung der Armeen auf Nato-Technik wäre für die russische Rüstungsindustrie ein Verlust, den sie versuchen wird, durch Anheizung der innergeorgischen Konflikte zu kompensieren.

Und Bürgerkrieg in Georgien würde bedeuten, dass es ein Konflikt direkt um die neue, obwohl überflüssige Demarkationslinie zwischen NATO und Russland wäre.
Ein Konflikt in dieser Region hätte eine ganz andere Qualität als im Abseits des Kosovo. Darüber müssen sich die Beteiligten im Klaren sein und dürfen die Risiken nicht unterschätzen.

Was wäre richtig?

1. Ein Moskau zugesicherter Aufschub der Nato-Osterweiterung, besser noch ein Moratorium jeder Nato-Erweiterung, solange man die offenkundige wie überflüssige Konkurrenz mit Russland nicht überwunden hat.

2. Ein Sonderstatus für Georgien und Ukraine, militärische Neutralität. Also NACHDENKEN und nicht einfach zum Alliierten machen, denn der Antirussismus, der schon mit den baltischen Staaten Nato-Mitglied wurde, wird Einvernehmen mit Moskau unmöglich machen, wenn nun noch die Nato einen Bürgerkrieg in Georgien riskiert.

-markus rabanus-

ps: meine Rücksichtnahme für russische Interessen am Waffengeschäft mit den Nicht-Nato-Staaten stellt gewiss keine Wende zum Militarismus dar, sondern ist infolge von Überlegung, dass eine "Umrüstung" nur noch mehr an Ressourcen verschlingt als die Fortsetzung der mir nicht minder widerlichen "Waffenbruderschaft".